|
Der Surrealismus hätte wohl ohne die Dadabewegung und der Psychoanalyse Sigmund Freuds nicht zu der weltweiten Bedeutung geführt.
Helmut Ullrich, der Erfinder des Menetekelismus sowie einer der wichtigsten deutschen Surrealisten neben Max Ernst, Edgar Ende, Richard Oelze und Mac Zimmermann präsentiert in dieser Internetausstellung seine Arbeiten.
Die Dadaisten Tsara und Picabia kamen 1919 nach Paris, wo gerade der Dichter Andre Breton mit Aragon und Soupault die Zeitschrift „Littérature" gegründet hatten, Max Ernst schloss sich 1922 dieser Bewegung an. Aufgrund innerer Zerwürfnisse löste sich der Dada-Kreis auf, man schloss sich neu zusammen: Dazu gehörten die Dichter Andre Breton, Eluard, Aragon sowie weitere Schriftsteller, und die Maler Picabia, Max Ernst, Man Ray und Marcel Duchamp.
Siegfried Bröse, Präsident des Kunstvereins Freiburg schrieb u.a. im Vorwort zu der Kunstausstellung im Kunstverein Freiburg: Man kann bei den Ölbildern von Helmut Ullrich zwei verschiedene Perioden unterscheiden:
"Einmal eine veristische Gruppe, bei der die Bilder in
altmeisterlicher Akribie gemalt sind. Bei diesen Arbeiten werden die in den
Bildzusammenhang gefügten Figuren (Gegenstände) in einen perspektivisch
konstruierten Bildraum eingesetzt nach den Regeln der Zentralperspektive,
der Farbperspektive und der Luftperspektive. Die Gegenstände werden
körperhaft modelliert gegeben, die Formen der Dinge sind oft monströs, und
es wird auch mit dem Pinsel und dem Farbauftrag eine Änderung erzeugt, die das Ding manchmal arg verfremdet, also
anders als in der Natur erscheinen lässt. Ullrich lasiert die Bilder sehr
sorgfältig, oft legt er vierzig und mehr Farbschichten übereinander.
Manche der Bilder untermalt Ullrich zunächst grau. So erreicht es der
Künstler, dass die Farben geheimnisvoll wie aus einem tiefen Grund heraus
leuchten. Diese Hintergründigkeit wird verstärkt durch eine ungeheuer
sorgfältige Stufung der Übergänge. Darüber hinaus wird der musikalische
Wert der Farben in ihrem Verhältnis zueinander zu Harmonien oder
Dissonanzen, je nachdem es die Bild-Aussage erfordert, ausbalanciert.
Zusammenfassend sei gesagt: Ullrich verwendet unendliche Mühe und Sorgfalt
auf jedes Bild, an dem er oft viele Monate zum Teil auch Jahre arbeitet!
Wenn man damit die roh angestrichenen Flächen vergleicht, welche die
amerikanischen Maler heute dem alten Europa als Kunstwerke offerieren und
bei der Idiotie und Geltungssucht des Establishment-Publikums auch zu hohen
Preisen verkaufen, fragt man sich im Stillen immer wieder: warum glauben
wir, dass die Amerikaner bessere Künstler sind als unsere schöpferischen
Menschen? Sind wir zu müde geworden? Ullrich
malt aus der Imagination heraus, nicht nach einer Vision. Die den Bildern
gegebenen Titel nennen nicht ein Thema, das der Künstler sich vorher überlegt
und dann im Malakt angehen will. Ullrich sagt, die Titel folgen den Bildern
nach, die Bilder geben sich selbst ihre Titel.
Die andere Gruppe seiner Bilder zeigt nicht solchen, nennen wir es naturalistischen Raum. Der Raum der zweiten Art ist eigentlich das Bild eines vegetativen Prinzips, er ist das Bild eines Raumes, der den Dingen ihr Erscheinen erst einräumt. Dieser Raum ist voller Geheimnis, er west und webt und schwebt, er geht vor und geht zurück. Und die Gegenstände der Imagination bekommen durch ihn etwas Übernatürliches, Surreales.
Auch in den Bildern Helmut
Ullrichs spielt das allen Surrealisten eigene Gefühl der Bedrohung der
Menschen durch nicht fassbare Mächte eine große Rolle. Einander fremde und zum
Teil irreale Dinge sind in den Bildern einander zugeordnet in einem Raum, dessen
Unheimlichkeit zunächst etwas Bedrückendes hat. Wenn der Betrachter dann aber
in den Gedankenzusammenhang des Bildes sich versenkt, dann verfliegt das
Befremdliche, löst sich auf.
Der Surrealismus von Ullrich
hat einen anderen Charakter als der der ersten und zweiten Generation: Sie sind
nicht alogische Träume oder Visionen, sondern imagitative Gleichnisse der
Unheimlichkeit und Hintergründigkeit des Weltzusammenhangs alles Seienden, auch
des Menschen. Ihr Geheimnis löst der Betrachter, wenn er in das Bild eingeht,
ohne allerdings dahin zu kommen, das Erfahrene logisch-begrifflich formulieren
zu können. Ullrichs Surrealismus ist ein gleichnishafter Surrealismus.
Nicht mehr Revolte, wie in den ersten Jahren ist Sinn und Ziel dieser surrealistischen Malerei, sondern alle Sinne immer wach halten für die Unheimlichkeit unserer Welt, aus welcher wachen Offenheit dann die Möglichkeit einer Evolution vom Grunde her, in eine neue menschliche Welt, erwächst."
Dr. Jacob Reisner, Kunsthistoriker, schrieb in der Einleitung zur Kunstausstellung HELMUT ULLRICH und FRANZ RADZIWILL 1895-1983 (Franz Radziwill gilt als wichtiger Maler der Neuen Sachlichkeit er ist der Tachist der ersten Stunde) welche in der Galerie Heseler, München, stattfand:
Der
Erfolg Bretons und seiner surrealistischen Lehre ist nicht denkbar ohne die
Vorarbeit der Dadaisten, die sich noch während des ersten Weltkrieges an eine
wahrhafte Sisyphusarbeit machten: an den radikalen Abbau der konventionellen
Vernunft, Moral und Kunstauffassung. Gleichzeitig durchbrach ein genialer
Einzelgänger, Giorgio de Chirico, die Mauer der herkömmlichen Bildvorstellung.
Seine »Pittura Metafisica« nimmt in ihrer nüchtern realistischen Malerei
befremdlicher Traumgesichte entscheidende Züge des späteren Surrealismus
vorweg. Wenige Jahre vor den Surrealisten gingen in Deutschland auch die Maler
der »Neuen Sachlichkeit« ans Werk, in Abwendung von der expressionistischen
und abstrakten Kunstauffassung dem Gegenstand im Bild wieder Recht zu
verschaffen. Um dieses Recht durchzusetzen, steigerten sie den traditionellen
Realismus zum sozusagen handgreiflichen Verismus und den Bezug der dargestellten
Dinge zu magisch stillem, oft unheimlichem Ausdruck.
Der
surrealistische Künstler taucht in die labyrinthischen Gründe des
Unterbewusstseins ein und hebt Gebilde ans Licht, die der normale Mensch zwar ähnlich
aus eigener Traumerfahrung kennt, in seinem von Vernunft, Moral und anderen
Konventionen bestimmten Leben aber an die unscharfen Ränder des Bewusstseins rückt
oder rasch wieder verdrängt. Der Surrealist hingegen stellt sie in seinen
Werken, oft in veristischer Schärfe, als wirklich vor Augen. Traumbereich und
Außenwelt gelten Ihm als gleichberechtigt.
Aber
auch diese Außenwelt erweist sich von einem bestimmten Standpunkt aus als
surreal.
Treten
beide Bereiche - Traumgesicht und phantastische Außenwelt - im Geiste des Künstlers
ineinander, so ergibt sich jener vielschichtige, hintergründige Surrealismus,
wie ihn HELMUT ULLRICH vor uns ausbreitet. In seinem Werk wird überdies eine
entscheidende Wandlung des neuen deutschen Surrealismus sichtbar: Hauptthema ist
nicht mehr die Darstellung der intimen, privaten Traumsphäre, sondern der
kollektive Angsttraum einer existenzbedrohten Menschheit.
Formal
gesehen, zeigt der Surrealismus viele Gesichter.
Wichtiger
als jede Klassifizierung ist die Bemühung um Einsicht in die jeweilige künstlerische
Sonderart. In den Werken von Max Ernst, Andre Masson, Joan Miró, Yves Tanguy
und anderer bedeutender Surrealisten treten alle möglichen Stilformen und
Techniken, übernommene und selbsterfundene, altmeisterliche und moderne, in
Erscheinung und realisieren die Vorstellungen und Träume der Künstler von den
Wundern, Absonderlichkeiten und Schrecken unserer Welt."
Ausschnitt TENDENZEN: Verlag F. von Damnitz, München, Sept. 1961, Nr. 10.
"Die großen alten Männer haben es bewiesen; im aufgerissenen Auge des Träumers spiegelt sich die Wahrheit oft schärfer als im zusammengekniffenen des Beobachters. Als Max Ernst 1941 sein „Europa nach dem Regen" malte, sah er es schon als ausgewaschene, zerfressene Ruinenlandschaft, am eigenen Überfluss erstickt und zerfallend. Er kam den Todesweiden der Bombenteppiche und Atomatolls malerisch zuvor, wie Dali mit seinen „zerlaufenden" Uhren, den wissenschaftlich aufgeweichten Begriffen von Raum, Zeit und Verlässlichkeit. Wenn heute ein jüngerer Surrealist, Hellmut Ullrich, München, einen gigantischen Ikarus wie eine Bombe ins Wohnhaus krachen lässt, so wird das Verrückte zur erschreckenden Tatsache, an die man sich bloß nicht gern erinnert."
Der Surrealismus ist Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. Das Werk des Surrealisten, Helmut Ullrich, ist nach wie vor HOCHAKTUELL, die Vorgänge zurzeit und in den letzten Jahren dürften dieses bestätigen. Trotz des Infernos in Ullrichs Bildern endet alles in höchste Poesie. Hans Terwege
Seitenanfang/side
start
Gesamtinformation/all
exhibitions and exhibits of art
Homepage
Impressum
Info
allgemein /
Info
general |